Sehr geehrte Damen und Herren!
Am 08.10.2007 habe ich meinen
Vorschlag, Herrn Horst Stahnisch zum Ehrenbürger der Stadt Bad Düben zu
ernennen, auf den Weg gebracht. Dass die Stadtverordneten so schnell und
einstimmig reagiert haben, hat mich sehr gefreut, aber nicht überrascht,
nein, es war nicht nur mein lang ersehnter Wunsch und ich war mir klar, wenn
nicht er, wer dann!
Ich fühlte mich danach in die
Pflicht genommen, jungen Stadtverordneten und Bürgern (der Stadt) die Frage
zu beantworten, wer ist denn Horst Stahnisch, was hat er für unsere Stadt
getan?
Bitte seien Sie nachsichtig mit
mir, wenn ich deshalb das eine oder andere Mal über das Maß einer Laudatio
hinausgehen muss.
Horst Stahnisch wurde am 08.07.1921 in Düben geboren
(Seine Eltern waren einfache, fleißige und bescheidene Bürger). Er wurde
dazu erzogen, Achtung und Respekt vor Erwachsenen und ihren Leistungen zu
haben, eine begonnene Arbeit, wenn sie auch mit Schwierigkeiten (und
Anstrengungen) verbunden ist, erfolgreich zuende zu bringen. Diese Tugenden,
die auch heute in unserem Zusammenleben unverzichtbar sind, hat er in all
seinen Lebensabschnitten erfolgreich in die Tat umgesetzt.
Das bin ich meinen Eltern und meinen Meistern schuldig, das
werde ich schaffen, ich werde sie nicht enttäuschen...
Mit dieser Lebenseinstellung hat
er seinen Weg gemeistert. Seine Freunde, Sportkameraden, Arbeitskollegen,
aber auch seine Vorgesetzten wussten, alles, was er in seinem
Verantwortungsbereich zu erledigen galt, wurde mit kluger Hand erfüllt.
Als 12-Jähriger wurde Horst mit
der Lebensrettungsmedaille ausgezeichnet, er hatte einen Mitschüler aus dem
gefrorenen Mittelmühlen-Teich gerettet.
Nach 8 Jahren Volksschule begann
er mit der Lehre eines Schornsteinfegers. Vielen seiner Freunde, Lehrlingen
der gleichen Gilde, kam die Bezeichnung „Schornsteinfeger“ zu einfach
vor, sein Rat war, sagt ganz einfach:
„Hochobenstehenderoberkaminholraumreinigungs-Techniker“. Als Lehrling
wurde er der Reichssieger im Berufswettstreit der Schornsteinfeger und
anderer handwerklicher Berufe, seine theoretische und praktische Gesellenprüfung
schloss er mit dem Prädikat „sehr gut“ ab, ein ¾ Jahr früher. Außerdem
erhielt er von der Schornsteinfegerinnung den Staatspreis verliehen. Dass er
gleichzeitig ins Buch der Begabtenförderung des Deutschen Aufbauwerkes
aufgenommen wurde, sollte später für ihn noch von großer Bedeutung
werden.
Dieser Reichssieger kam aus der
kleinen Stadt Düben, viele kannten sie gar nicht, doch jetzt suchte man sie
auf der Karte.
Dass der Schwarze Mann mit dem
Zylinder ein Glücksbringer ist (bzw. sein soll), kennen wir alle, aber wir
wissen auch: „Glück hat auf die Dauer nur der Tüchtige“.
Schon als Jugendlicher entdeckte
er seine Liebe für den Fußballsport. Doch der II. Weltkrieg setzte seiner
weiteren beruflichen und sportlichen Entwicklung ein vorzeitiges Ende.
Bei seinem (2.) Einsatz, dem
Absprung über Kreta, im Mai 1941, er war Fallschirmjäger, wurde er schwer
verwundet. Er hatte Glück im Unglück!
Der ärztlichen Kunst, aber vor
allem seinem unbändigen Willen, gesund zu werden, verdankte er seine Rückkehr
ins Leben.
Noch während des Krieges, der
rechte Arm versteift, nur eine halbe Lunge, begann er sein Studium als
Bauingenieur. Die Begabtenförderer hatten ihn nicht vergessen.
Als der Krieg zu Ende war, hatte
er 3 Semester erfolgreich beendet, mit 8 Klassen Volksschule, doch die
Dozenten erkannten seinen Fleiß, Ehrgeiz und seine Begabung und unterstützten
ihn, wo sie konnten.
Das Zurück nach Düben war
beschwerlich, seine Heimatstadt war eine Halbinsel, die Nazis hatten die
Muldebrücke gesprengt und so eine wichtige Lebensader getroffen. Die
damaligen Fachleute hoben abwehrend die Hände, Brückenneubau, wir nicht.
Horst Stahnisch war zur russischen Kommandantur beordert, befragt, und er
sagte: „Ich werde eine neue Brücke bauen...“. Es galt aber
gleichzeitig, das Stahlgerüst der alten Brücke aus dem Flussbett zu
bergen. Die Tragfähigkeit war für 12 Tonnen vorgesehen, wurde aber
kommentarlos auf 25 Tonnen erhöht. Die Materialbeschaffung war
problematisch, das Zauberwort hieß „organisieren“, legal, aber oftmals
illegal. Wichtig auch wurde seine Verbindungen zu den Bauern. So manches
Schwein musste sein Leben lassen, für einen wichtigen Holzbalken, aber auch
für das leibliche Wohl der Arbeiter. Der „Goldene Löwe“ war
Baustellenkneipe, und Horst Stahnisch war Planer, Konstrukteur, Mädchen für
alles. Ein Fachmann aus Halle
überprüfte die Unterlagen seiner Pläne. Sein Urteil: „Hier gibt es
nichts zu beanstanden ...“.
Im November 1945 wurde die Brücke
ihrer Bestimmung übergeben, der Stadt war ein wichtiges Stück Normalität
zurückgebracht.
In Höxter setzte er 1946 sein
Studium fort und beendete es erfolgreich. Die Universität hatte einen guten
Ruf und die Absolventen erhielten verlockende Angebote. Auch Horst Stahnisch.
Doch er kehrte in seine Heimatstadt zurück, hier waren seine Eltern und
hier warteten wichtige Arbeiten auf ihn.
Horst Stahnisch wusste, dass der
Sport, besonders der Fußball, eine große Bedeutung hatte, die Menschen
nach dem Krieg wieder aufzurichten, ihnen ihr verlorengegangenes
Selbstwertgefühl zurückzugeben, sie brauchten wieder Freude und
Abwechslung.
Der Sportplatz am Schwarzen Berg
konnte natürlich keine Dauerlösung sein.
Am 1.6.1947 war Baubeginn des
Sportplatzes am Moorbad. Im Juni 1949 erfolgte die Einweihung. Leiter und
Organisator war natürlich unser Horst Stahnisch, die Pläne entstanden auf
seinem Reißbrett. Interessant ist noch, es gab damals schon Sponsoren (ein
Herr Bröse), Dübener Bürger, ein Freund von Horst Stahnisch,
verpflichtete sich, 1/100 der Gesamtplatzbaukosten in monatlichen Raten zu
übernehmen, beginnend am 15.10.1947.
Der Platz am Moorbad wurde zum
Publikumsmagneten in den 50er und 60er Jahren. Durch seine berufliche Tätigkeit
in Wolfen verpflichtete er höherklassige Mannschaften und sorgte für fußballerische
Höhepunkte. Seine federführende Hand war überall zu spüren, er war
Sektionsleiter, technischer Leiter, Mannschaftsbetreuer, er organisierte die
Fahrten und schrieb die Spielberichtsbögen.
Bis August 1961 verpflichtete er
Mannschaften aus Kiel, Nürnberg und Paderborn, nach dem Mauerbau knüpfte
er Verbindungen zu technischen
Vereinen.
An den Wochenenden war echte
Volksstimmung am Moorbad-Platz, mit heutigem Vokabular: es war eine geile
Stimmung!
Schon 1956 wurde bekannt, dass
auf dem Sportplatz am Moorbad ein Gästehaus für den Kurbetrieb gebaut
werden sollte. Wieder war ein neues Stadion gefragt, aber dazu brauchte man
ein passendes Gelände. Kein anderer als Horst Stahnisch hätte
die Verhandlungen mit dem Besitzer diplomatischer und erfolgreicher führen
können, es war ein hartes Stück Überzeugungsarbeit.
1957 begann Horst Stahnisch als
ehrenamtlicher Projektant. 1958 war Baubeginn, er kannte die Fachleute mit
Baggern und Planierraupen, das neue Wort für „organisieren“ hieß
„Beziehungen“, und die hatte er auch diesmal. Jetzt hatten die Schweine
nichts mehr zu befürchten, jetzt brauchte man einen Kasten Krostitzer (mit
Maikäferbier war da nichts zu machen) und eine Flasche Nordhäuser
Doppelkorn und siehe das klappte.
Eine sagenhafte Bewegung von
freiwilligen Helfern hatte er in Gang gesetzt. Von 1958 bis 1965 wurden
10.105 Aufbaustunden geleistet. 774 Stunden allein von der Familie Stahnisch:
Vater Max, Mutter Olga und Sohn Horst. Als Freund des Hauses war ich auch
mit 107 Stunden beteiligt. Die Helfer kamen aus allen Bereichen: kaum eine
Sparte, die nicht vertreten war: Fußball, Schule, Lehrer, Feuerwehr,
Hausfrauen, Fernmeldetechniker, Turner, Leichtathleten ...
Pfingsten 1965 war die
feierliche Einweihung mit dem Eröffnungsspiel gegen Okula Nyrsko. Für
mich, ich war damals Spielführer, unvergesslich, weil ich das erste Tor im
neuen Stadion schoss, und was für eine Granate. Wie sollte das neue Station
heißen: ernsthaft im Gespräch war natürlich Horst – Stahnisch –
Stadion, aber unser Horst war viel zu bescheiden, sein Vorschlag
„Sportplatz Muldenaue“ wurde akzeptiert und realisiert.
Seine berufliche Tätigkeit ist
bisher wenig erwähnt worden, aber er war in der Filmfabrik Wolfen eine Persönlichkeit,
ein anerkannter Bauleiter, Chef einer Abteilung mit einigen 100
Angestellten, zum Oberingenieur ernannt und mit vielen Auszeichnungen
bedacht.
Nach seinem Ausscheiden aus dem
Berufsleben 1981, wie konnte es anders sein, stellte er seinen reichen
Erfahrungsschatz der Baukommission unserer Stadt zur Verfügung.
Eine kleine Anmerkung von mir:
Im Mai 2001 besuchte ich mit
meiner Frau den Soldantenfriedhof in Marleme auf Kreta; 60 Jahre waren nach
der todbringenden Nacht des II. Weltkrieges vergangen, wir gingen schweigend
durch die Gräberreihen, und die Namen und die Jahrgänge, u.a. auch
Jahrgang 21, weckten Erinnerungen ...
Wir fragten uns:
Was hätte aus diesem hoffnungsvollen jungen Menschen werden können...?
Horst Stahnischs Lebenslauf gibt uns die Antwort darauf! Wir können Stolz
sein, solch einen Dübener hier auszuzeichnen. Zu Beginn meines Vorschlages
hatte er Bedenken, doch heute Nachmittag hatte er Tränen in den Augen. Er
bedauert natürlich sehr, die Auszeichnung hier nicht entgegenzunehmen. Aber
wir haben würdige Vertreter.
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