Ehrenbürgerrecht - eine Ehrenbezeichnung für eine Persönlichkeit,
die sich in besonderen Maße um die Entwicklung der Stadt oder das Wohl
ihrer Bürger verdient gemacht hat. So sagt es die Gemeindeordnung.
Es geht um die Weltgeltung einer
Persönlichkeit, um das nationale oder gar internationale Ansehen der Stadt,
es geht um Verdienste für die Gemeinschaft. Nein, unser Ehrenbürger hat
keinen Nationalpreis in Literatur, Physik, oder Medizin; nein, dieser unser
Ehrenbürger ist auch kein hochrangiger Politiker, mit dem, schauen wir in
die Vergangenheit und Gegenwart unserer deutschen Geschichte, eine Stadt
intensive Probleme bekam oder bekommen könnte; Unser Ehrenbürger ist ein Bürger
dieser unserer geliebten Stadt, wie du und ich, und doch anders und doch
mehr.
Wolfgang Apitzsch wurde am
22.12.1929 in, ja wo wohl, in Düben an der Mulde geboren; in Düben erhielt
er auch die Taufe, wurde konfirmiert in St. Nikolai, heiratete in unserer
Stadt Frau Ilse, zog hier Kinder und Enkel auf.
Noch 15 Jahre alt, kommandierte
man ihn 1945 zum Volkssturm; er kam aber nicht mehr nach Bitterfeld, da der
dortige Einmarsch der Amerikaner sein Überleben sicherte.
Da er sich nach dem Abitur zu
einer Neulehrerausbildung angemeldet hatte, wurde ihm das Studium der
Mathematik, sein Herzenswunsch, versagt; man brauchte Lehrer und lies diese
nicht wieder los. 1950 Neulehrer, wollte er Schüler bis zum Abitur
unterrichten können und nahm deshalb in Leipzig 1954 bis 1957 das erste
Fernstudium Mathematik auf. Dem folgte erst 1967 - 1971 das zweite in
Potsdam mit dem Abschluss als Diplom-Fachlehrer. Man hielt EOS, eine
erweiterte Oberschule - sprich heute Gymnasium - lehrte, sondern „nur“
an einer Polytechnischen Oberschule - sprich heute Grund- und Mittelschule.
Die Grundschule am Kirchplatz
sowie die heutige Heide-Grundschule und zwei Jahre das Gymnasium in Bad Düben
waren bis 1992 seine Wirkungsstätte, in denen er mit Liebe und Strenge,
aber immer mit Besonderheit, Verständnis für Schüler, Umsicht und vor
allem umfassenden Fachkenntnissen Wissen und Erfahrungen vermittelte. In den
ersten Jahren der DDR und dann wieder nach der Wende wirkte er als Stellv.
Schulleiter. Die Hinwendung zu den Menschen seiner Umgebung beweist u. a.
die Tatsache, dass er noch heute keinen Schülern vergisst.
Der Lebensweg, typisch für
diese unser Generation mit seinen Ängsten, Hoffnungen, Anerkennung und
Ablehnungen führte über die berufliche Entwicklung hinaus zum Engagement für
die Gemeinde, für die Menschen in Bad Düben.
Prägend für unsere Stadt aus
diesem Lebenslauf ist in erster Linie das Dübener Kulturleben, das Wolfgang
Apitzsch - Nachfolger unseres Heimatdichters Willy Winkler - als langjähriger
Vorsitzende des Kulturbundes bis zur Wende initiierte und gestaltete. Dazu
gehörten Literatur- und Musikabende, Exkursionen in die Dübener Heide
unter dem Motto „Schöne unbekannte Heimat“, vogelkundliche Wanderungen
und Arbeiten zum Umweltschutz.
Unter seiner Regie lief die
Rettung des Obermühlenteiches und die Durchführung des ersten
Landschaftstages des Kreises Eilenburg. Er beeinflusste die Wirksamkeit der
in diesem Kulturbundbereich angesiedelten Arbeitsgemeinschaften und Gruppen
Philatelie, Numismatik, Denkmalpflege, Heimatgeschichte und Stadtbilderklärer,
künstlerisches Volksschaffen sowie Literatur und organisierte 1983 die
Arbeitsgemeinschaft „Natur und Umwelt“, die 1991 dem Umweltausschuss der
Stadtverordnetenversammlung angegliedert wurde.
Um Bewährtes fortzusetzen, war
er Mitbegründer und seit 1995 Stellv. Vorsitzender des Heimatvereines Bad Düben
e.V.; Wobei Vorbereitung und Organisation der Gründung in seinem Wohnsitz
stattfand; wieder ein Indiz seiner persönlichen Bindung und Wirksamkeit. Er
engagierte sich nach wie vor u.a. als Stadtbilderklärer sowie im
Museumsbeirat.
Bernd Enge, der Vorsitzende des Heimatvereines, dem ich
viele Informationen über Wolfgang Apitzsch verdanke, verdeutlichte seine
Anerkennung in einem mundartlichen Gedicht, aus dem ich einige Zeilen
zitiere:
„Weeinchen Menschen isses vergönnt
uff Erden
Rüstich zu bleim un och noch
alt zu werden;
Bei Wolfgang tuts nerchendwo weh
Vom Koppe bis zum kleenen Zeh.
Alles is noch jut beisamm,
wir sin froh das wirn ham.
Üwerall wird Wolfjang jebraucht
Ob dorheme oder wenns im Rathaus
raucht.
Oppe will oder nich, da musse
ran,
doch da kennte nischt, er steht
seinen Mann.“
Neben den verkürzten
dargelegten, unmittelbar heimatverbundenen Tätigkeiten, die - so sehe ich
das - Bad Dübens Imagepflege entscheidend mit prägten und prägen, betätigte
sich politisch aktiv nach der Wende im Parlament der Stadt als Stadtrat und
erster Stadtverordnetenvorsteher. Als solcher traf er die Vorbereitungen und
leitete den Stadtrat. Hier liegt sein entscheidendes Verdienst um die
Entwicklung der Stadt, da er in dieser Zeit die Stadtpolitik durch seinen
sachlichen und ruhigen, fast väterlichen Umgang mit den Menschen, durch
sein Engagement und seine Detailkenntnisse in ein erfolgreiches Fahrwasser führte.
Er schaffte es, zum Wohle der Stadt differierende Auffassungen
auszugleichen, alle Fraktionen des Rates oft auf einen gemeinsamen Kurs und
damit auf Erfolg zu bringen und Stadtratsbeschlüsse mit Leben zu erfüllen.
Geachtet von allen Stadträten, verließ er nach zwei Legislaturperioden aus
Altersgründen 1999 das Parlament, war aber in diesem Jahr nach Mitinitiator
der sich aus Vertretern des Heimatvereines und der Sportvereine gründenden
Wählergemeinschaft.
Jeder, der in Bad Düben
engagiert lebt, ist mit Wolfgang Apitzsch in irgendeiner Weise verbunden; er
kennt und begleitet jeden Dübener; er wirkt nicht vordergründig nach außen,
sondern im Stillen, sehr engagiert, sehr profilierend. Es ist gut, dass es
solche Menschen gibt, und, so denke ich, es ist gut, dass solche Menschen
Ehre angetragen wird, nicht nur den lauten, den vordergründig
erfolgreichen, den sichtbar überragenden, sondern auch den stillen
Menschen; dem menschlichen Lehrer.
Der Stadtrat der Stadt Bad Düben
hat auf Antrag der CDU/SPD-Fraktion am 14. Dezember 2006 die Verleihung des
Ehrenbürgerrechts für Wolfgang Apitzsch beschlossen; Willy Winkler, dem
die sächsische Gemeindeordnung posthum die Ehrenbürgschaft verwehrt,
schaut von oben herab, und ich bin sicher, er nickt uns und Wolfgang
Apitzsch zu.
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